Absehen vom Fahrverbot bei konkret drohendem Arbeitsplatzverlust – berufliche Härte

Eine Verdopplung der Geldbuße und ein Absehen vom Fahrverbot ist bei beruflichen Härten ausreichend, wenn der Betroffene sonst keine weiteren Voreintragungen im FAER hat, im Arbeitsverhältnis auf Probe steht und die Geschäftsführerin erklärt, für den Fall der Fahrverbotsanordnung diesen Arbeitsvertrag ohne Begründung (rechtlich tatsächlich möglich) zu kündigen.

AG Lüdinghausen 23.05.2016, Az.: 19 OWi 81/16

Tatbestand

Kündigung - Absehen vom Fahrverbot bei konkret drohendem Arbeitsplatzverlust – berufliche Härte Der verkehrsrechtlich bislang unbelastete Betroffene wurde nach dem Ortseingangsschild mit dem Messgerät Leivtec XV3 mit 87 km/h gemessen. Abzüglich der Toleranz (3km/h) verlieb mithin eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 34 km/h.

Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, dass er am Tatort nicht so schnell gewesen sein kann. Das Gericht hat den Messbeamten als Zeugen angehört und dieser bestätigte: a)Einsatz des Messgerätes erfolgte entsprechend der Bedienungsanleitung, b)Messprotokoll und c)Eichschein wurde urkundsbeweislich verlesen. Angesichts des guten Fotos konnte d)die Fahrereigenschaft des Betroffenen festgestellt werden.

Entscheidungsgründe

Ausweislich den Feststellungen stand die Begehung des Geschwindigkeitsverstoßes fest, so dass der Betroffene wegen der Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 3 Abs. 3, 49 StVO, 24 StVG zu verurteilen war. Dafür sieht 11.3.6 Bußgeldkatalog eine Regelbuße von 160€, 2 Punkte im Flensburger Fahreignungsregister und einen Monat Fahrverbot vor.

Jedoch hat sich der Betroffene erfolgreich auf berufliche Härten infolge eines aus seiner Sicht drohenden Arbeitsplatzverlustes berufen. Der Betroffene hat konkret vorgetragen, dass er gekündigt werden würde und sein Arbeitsplatz verlieren werde, wenn eine Fahrverbotsanordnung käme. Die Geschäftsführerin seines Arbeitgebers bestätigte dies als Zeugin. Der Betroffene sei bei einer GmbH als Bäcker im Nachbarort beschäftigt. Arbeitsbeginn sei um 2.00 Uhr. Zu dieser Uhrzeit sei der öffentliche Nahverkehr nicht in der Lage, den Betroffenen zuverlässig zum Arbeitsplatz zu bringen. Da der Betroffene laut Vertrag eine 3-monatige Probezeit im Arbeitsvertrag vereinbart hatte, hat das Gericht von dem Fahrverbot Abstand genommen, da es im Rahmen der Probezeit tatsächlich rechtlich möglich sei, den Arbeitnehmer ohne Begründung zu kündigen. Dabei berücksichtigte das Gericht auch, dass der Betroffene keine Voreintragungen im Flensburger Fahreignungsregister aufwies und hielt eine Verdoppelung der Geldbuße unter Absehen vom Fahrverbot für ausreichend.

Fazit

Rechtsanwälte für Verkehrsrecht raten häufig: „Nehmen Sie Bußgeldbescheide nicht ungeprüft und kommentarlos hin! Lassen Sie den Bußgeldbescheid von einem Anwalt für Verkehrsrecht konkret prüfen“. Zu Recht, wie dieses Urteil zeigt.

Das Bußgeldverfahren ist ein automatisiertes Massenverfahren! Wie jedes Massenverfahren birgt auch die Geschwindigkeitsmessung erhebliche Fehlerquellen. Neben der Verfolgungsverjährung, Verjährungsunterbrechung, Bestimmtheit des Bußgeldbescheides, Feststellung der Fahrereigenschaft, Verwertbarkeit der Messung als standardisiertes Messverfahren (Einhaltung der innerstaatlichen Bauartzulassung –Beachtung der Kabellängen, Ausrichtung, Positionierung-, Vorliegen der erforderlichen Messprotokolle und Eichscheine…usw.) wird das Verfahren dem jeweils individuellen Einzelfall häufig nicht gerecht. Wenn von der Fahrerlaubnis Ihre Existenz abhängt (die Kündigung des Arbeitsverhältnisses droht), sollten Sie den Bußgeldbescheid durch einen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht prüfen lassen! Unter Umständen können Sie diesen einschneidenden existenzgefährdenden Eingriff abwenden.

Rechtsanwalt Rothholz in Berlin – Kanzlei für Verkehrsrecht und Strafrecht – berät und vertritt Sie bei der Abwehr vom Bußgeldbescheid im Ordnungswidrigkeitenverfahren.