Ein sehr unscharfes, kontrastarmes und grob gekörntes Messfoto, das die – zudem teilweise verdeckten – Gesichtskonturen des Fahrers kaum erkennen lässt, ist in der Regel nicht als Grundlage geeignet, den Betroffenen zu identifizieren

(KG Berlin, Beschluss vom 01. August 2017 – 3 Ws (B) 158/17)

Bußgeldbescheid und Fahrverbot

Das Amtsgericht Tiergarten hat den Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit (Geschwindigkeitsüberschreitung) zu einer Geldbuße von 360,00 Euro verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.

Zur Fahrereigenschaft hat der Betroffene keine Angaben gemacht. Das führt jedoch auch, dass die Inaugenscheinnahme des Fotos im Termin eindeutig ergab, dass der Betroffene die Person ist, die das Fahrzeug am Tattag zur Tatzeit am Tatort geführt hat.

Gegen dieses Urteil hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt. Das Kammergericht Berlin hat das Urteil aufgehoben!

Bußgeld und Fahrverbot haben keinen Bestand!

Die Urteilsgründe tragen die Feststellung der Fahrereigenschaft des Betroffenen nicht. Die Feststellung, ob eine auf einem Foto abgebildete Person mit dem Betroffenen identisch ist, unterliegt zwar im Prinzip nicht der Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht. Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Das Gericht entscheidet über das Ergebnis der Beweisaufnahme nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung. Der Tatrichter hat ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln und nur seinem Gewissen verantwortlich zu prüfen, ob er an sich mögliche Zweifel überwinden und sich von einem bestimmten Sachverhalt überzeugen kann oder nicht. Dem Gericht sind aber bei der freien Beweiswürdigung Grenzen gesetzt: Es darf seine Befugnis nicht willkürlich ausüben und muss die Beweise erschöpfend würdigen; es muss gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse, die Gesetze der Logik und Erfahrungssätze des täglichen Lebens beachten. Auch im Hinblick auf die Identifizierung eines Betroffenen anhand eines Lichtbildes gelten entsprechende Grenzen für die Beweiswürdigung. So lässt etwa ein sehr unscharfes Foto oder ein Foto, auf dem das Gesicht nicht oder nur zu einem geringen Teil abgebildet ist, eine Identifizierung durch bloßen Vergleich mit dem in der Hauptverhandlung anwesenden Betroffenen nach den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens regelmäßig nicht zu. Je nach Qualität und Inhalt des Bildes können sich ein Vergleich mit dem persönlich anwesenden Betroffenen und der Schluss auf seine Täterschaft von vornherein als schlechterdings unmöglich und willkürlich erweisen. Sieht der Tatrichter den Betroffenen gleichwohl aufgrund des Lichtbildes als überführt an, so leidet das Urteil an einem Rechtsfehler, der im Rechtsbeschwerdeverfahren mit der Sachrüge beanstandet werden kann.

Rechtsanwalt Rothholz – Kanzlei für Verkehrsrecht in Berlin – berät und vertritt Sie bei einem Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung.