Unfall mit 0,65 Promille – Keine relative Fahruntüchtigkeit bei einfachem Vorfahrtsverstoß

Das AG Dessau-Roßlau lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach einer Kollision eines Fahrzeugführers mit 0,65 Promille und einem Sachschaden von ca. 4000€ ab. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft blieb ebenfalls erfolglos.

AG Dessau-Roßlau vom 24.09.2015, Az. 11 Gs 472/14, 11 Gs 472/14 – 694 Js 19521/14

Tatbestand:

Der Beschuldigte missachtete die Vorfahrt des Zeugen und kollidierte mit dessen Fahrzeug. Während der Unfallaufnahme wurde beim Beschuldigten Alkoholgeruch in der Atemluft festgestellt. Eine ihm anschließend entnommene Blutprobe erbrachte einen Wert von 0,65 Promille. Der Entstandene Fremdschaden belief sich auf ungefähr 4.000€.

Entscheidungsgründe:

Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis nach §111a Abs. 1 und 3 StPO wurde vom AG Dessau-Roßlau abgelehnt. Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die Ablehnung wurde verworfen.

Die Staatsanwaltschaft hat die Auffassung vertreten, dass der Vorfahrtsverstoß auf dem Alkoholeinfluss beruht.

Dieser Antrag wurde vom Gericht zurückgewiesen, weil die Voraussetzungen des §111a Abs. 1 und 3 StPO nicht gegeben waren. Es bestand kein hinreichender Tatverdacht einer alkoholbedingten Straßenverkehrsgefährdung. Diese erfordert nämlich die sichere Feststellung, dass die Fahrunsicherheit eine Folge des Alkoholgenusses ist. Bei der so genannten absoluten Fahruntüchtigkeit ergibt sich dies aus der Überschreitung des von der Rechtsprechung festgesetzten Grenzwertes (1,1 Promille). Vorliegend ist jedoch nur von einem Blutalkoholgehalt von 0,65 Promille auszugehen, d.h. es kommt vorliegend nur eine relative Fahruntüchtigkeit in Betracht. Es müssen also Umstände vorliegen, die in Zusammenschau mit dem Blutalkoholwert eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit erweisen. Hierbei sind die Anforderungen umso höher, je geringer die Blutalkoholkonzentration ist. Konkret erfordert dies, dass ein alkoholtypischer Fahrfehler festgestellt werden muss. Ausnahmsweise kann auch aus dem Verhalten des Fahrzeugführers bei der Kontrolle einen Rückschluss auf dessen Fahruntüchtigkeit gezogen werden, ohne dass ein alkoholbedingter Fahrfehler festgestellt werden kann. Das setzt aber Auffälligkeiten voraus, die sich unmittelbar auf eine Beeinträchtigung der Fahruntüchtigkeit beziehen, wie z.B. schwerwiegende Einschränkungen der Wahrnehmung und Reaktionsfähigkeit, mangelnde Ansprechbarkeit, Unfähigkeit zu koordinierter Bewegung und extrem verlangsamte Reaktionen.

Letztlich lassen auch die Umstände des Verkehrsunfalls nicht den Schluss zu, dass in dem späteren Hauptverfahren mit einem Entzug der Fahrerlaubnis aufgrund der alkoholbedingten Straßenverkehrsgefährdung nach §315c StGB oder einer Trunkenheitsfahrt gemäß §216 StGB zu rechnen ist.

Rechtsanwalt Rothholz – Kanzlei für Verkehrsrecht in Berlin –berät und vertritt beim drohenden Entzug der Fahrerlaubnis.