Beachtet der Betroffene das Rotlicht für den Linksabbiegerverkehr und hält vorschriftsmäßig an, fährt dann aber nach dem Umschalten des Lichtzeichens für den Geradeausverkehr auf Grün, trotz Rotphase für den Linksabbieger, gleichzeitig mit dem Geradeausverkehr an, handelt es sich um einen atypischen Rotlichtverstoß in Form des Augenblicksversagens.

AG Landstuhl vom 08.05.2014, Az.: 2 OWi 4286 Js 13040/13
Kammergericht Berlin 05.09.2001, Az.: 2 Ss 171/01 – 3 Ws (B) 420/01
Tatbestand

Qualifizierter Rotlichtverstoß – Augenblicksversagen – Mitzieheffekt - Verkehrsrecht Der Betroffene hielt als Fahrer vorschriftsmäßig vor einer schon längere Zeit Rotlicht ausstrahlenden Ampel auf der Linksabbiegerspur. Als die Ampel für die Geradeausspur auf Grün wechselte, jedoch weiterhin für die Linksabbiegerspur auf Rot verblieb, fuhr der Betroffene los und bog zögernd nach links ab, weil er offensichtlich seinen Fehler bereits bemerkt hatte, aber die Kreuzung dann räumte und danach auf der rechten Seite der angesteuerten Straße stehen blieb. Gegenverkehr war zum Zeitpunkt des Verstoßes nicht vorhanden.

Entscheidungsgründe

Der Betroffene hat sich wegen eines Verstoßes gegen § 37 Abs. 2 StVO zu verantworten. Ausgehend vom Regeltatbestand des Bußgeldkataloges mit der Ziff. 132.3 war von einer Dauer des Rotlichts von über 1 Sekunde auszugehen, jedoch lediglich in fahrlässiger Weise. Die Einlassung des Betroffenen sei nicht zu widerlegen gewesen, dass er auf das Geradeauslichtzeichen geachtet hatte und dementsprechend nicht wissentlich und willentlich das Rotlicht missachtet hat. Das Gericht geht von einer fahrlässigen Tatbegehung aus, da der Betroffene bei genügender Aufmerksamkeit seinen Fehler hätte erkennen können. Das Gericht sah jedoch keine grobe Pflichtverletzung im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, denn der Betroffene ließ sich aufgrund einer momentanen Unaufmerksamkeit von dem Geradeausverkehr „mitziehen“. Ein solches Verhalten ist nicht auf Rücksichtslosigkeit, Verantwortungslosigkeit oder grobe Nachlässigkeit zurückzuführen.
Da ein Regeltatbestand verwirklicht wurde, ist zunächst von dessen Rechtsfolge auszugehen. Grundsätzlich Geldbuße in Höhe von 200,-€ und einen Regelfahrverbot von 1 Monat. Das Gericht ist zwar nicht an den Bußgeldkatalog zwingend gebunden, sah jedoch im Rahmen der Ermessensausübung keinen Grund, vom vorgegebenen Bewertungsrahmen des Bußgeldkataloges hinsichtlich der Geldbuße abzuweichen. Anders verhielt es sich mit dem Fahrverbot. Zwar ist den objektiven Tatumständen nach ein Regelfahrverbot verwirklicht. Hier handelt es sich jedoch um einen atypischen Verstoß in Form des Augenblicksversagens, sodass die Indizwirkung des Fahrverbots entfällt. Die Rechtsfolge eines qualifizierten Rotlichtverstoßes ist nicht angezeigt, wenn der Betroffene zunächst das Rotlicht für den Linksabbiegerverkehr beachtete und vorschriftsmäßig anhält, dann aber nach dem Umschalten des Lichtzeichens für den Geradeausverkehr auf grün, trotz fortdauernder Rotphase für den Linksabbieger, gleichzeitig mit dem Geradeausverkehr startete (sog. „Mitzieheffekt“).
Im Ergebnis verblieb eine Geldbuße in Höhe von 200,-€ ohne Fahrverbot.

Fazit

Beim qualifizierten Rotlichtverstoß muss ein Bußgeld und Fahrverbot nicht ungeprüft hingenommen werden. Lassen Sie den Bußgeldbescheid von einem Rechtsanwalt für Verkehrsrecht überprüfen.

Rechtsanwalt Rothholz in Berlin – Kanzlei für Verkehrsrecht und Strafrecht – berät und vertritt Sie bei der Abwehr vom Bußgeldbescheid im Ordnungswidrigkeitenverfahren.